Formfreie Einigung über dingliches Vorkaufsrecht bei Grundstück

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 08. April 2016 – V ZR 73/15 entschieden, dass die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts gemäß § 873 BGB erforderliche Einigung nicht notarielle beurkundet werden muss. Der BGH hat damit seine bisherige Rechtsprechung insoweit aufgegeben.

Zur Entscheidung

Das Urteil des BGH bezog sich auf einen Sachverhalt (verkürzt), bei dem im Rahmen eines notariell beurkundeten Verkaufs eines Grundstücks zwischen den Parteien die Einräumung eines auf den ersten Verkaufsfall beschränkten dinglichen Vorkaufsrechts vereinbart wurde. Diese Vereinbarung zum Vorkaufsrecht wurde jedoch nicht beurkundet, sondern die Parteien erteilten lediglich die Eintragungsbewilligung und das Vorkaufsrecht wurde in das Grundbuch eingetragen.

Der BGH stellte klar, dass das dingliche Vorkaufsrecht trotz der fehlenden Beurkundung der Einigung über die Bestellung wirksam entstanden ist.

Das dingliche Vorkaufsrecht im Sinne des § 1094 BGB sei ein eigenständiges Sachenrecht, das gemäß § 873 BGB durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch entstehe. Diese Voraussetzungen seien auch erfüllt, wenn die Einigung nicht beurkundet wurde.

Denn das Formerfordernis einer notariellen Beurkundung für ein Rechtsgeschäft, mit dem eine Verpflichtung zur Einräumung eines Vorkaufsrechts begründet wird, werde mit der Formvorschrift des § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB begründet. Danach bedarf ein Vertrag, mit dem sich eine Partei verpflichtet, ein Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung.

Da durch das dingliche Vorkaufsrecht ebenfalls zumindest unter bestimmten Voraussetzungen (nämlich Eintritt des Vorkaufsfalls) eine Verpflichtung begründet wird, ein Grundstück an den Vorkaufsberechtigten zu übertragen, soll die Formvorschrift des § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB auch die Verpflichtung zur Einräumung eines Vorkaufsrechts erfassen.

Allerdings wird der Formmangel dann auch wie bei der Übertragung des Grundstücks analog § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt, wenn trotz fehlender Beurkundung des Verpflichtungsgeschäfts das Vorkaufsrecht dann tatsächlich aufgrund einer Einigung über die Bestellung in das Grundbuch eingetragen wird.

Der BGH hat dann – unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung – klargestellt, dass die erforderliche Einigung über die Bestellung des Vorkaufsrechts – im Gegensatz zum Verpflichtungsgeschäft – nicht beurkundet werden muss.

Denn nach dem Grundsatz der Formfreiheit sei davon auszugehen, dass nur dann eine besondere Form bei einem Rechtsgeschäft eingehalten werden muss, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht, was für die Einigung gemäß § 873 BGB gerade nicht zutreffe. Lediglich die Eintragungsbewilligungen sind aufgrund der grundbuchrechtlichen Vorschriften gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO in notariell beglaubigter Form einzureichen.

Auch aus § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB lasse sich kein entsprechendes Formerfordernis für die Einigung begründen. Denn diese Regelung gelte nach ihrem Wortlaut und der systematischen Stellung nur für das Verpflichtungsgeschäft und damit nicht für die Einigung im Rahmen des Erfüllungsgeschäftes.

Eine planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung ist, scheide aus, da aufgrund des sogenannten Trennungsprinzips im BGB das Erfüllungsgeschäft bewusst anderen Regelungen folge, als das Verpflichtungsgeschäft.

Die dingliche Einigung enthalte auch – im Gegensatz zum Verpflichtungsgeschäft – nicht zugleich die Verpflichtung zu einer späteren Eigentumsübertragung. Da sich der Inhalt der Einigung in der vereinbarten dinglichen Rechtsänderung (i.e. Bestellung des Vorkaufsrechts) erschöpfe, fehle ihr jegliche verpflichtende Wirkung zu einem Tun oder Unterlassen.

Es widerspreche auch der Regelungen in § 925 Abs. 1 BGB, wenn für die dingliche Einigung über die Bestellung des Vorkaufsrechts eine notarielle Beurkundung gefordert würde. Denn gemäß § 925 Abs. 1 BGB ist selbst für die Auflassung, also die Einigung über die Eigentumsübertragung an dem Grundstück gemäß § 873 BGB, nicht zwingend eine notarielle Beurkundung erforderlich. Diese Auflassungserklärung kann gem. § 925 Abs. 1 BGB zwar vor dem Notar abgegeben werden – sie kann daneben aber auch vor jeder sonstigen zuständigen Stelle erklärt werden. Wenn aber schon die dingliche Einigung über die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück (Auflassung) nicht zwingend beurkundet werden muss, dann könne dies erst Recht nicht für die dingliche Einigung über die Einräumung des Vorkaufsrechts gelten, die hierzu ein „Minus“ darstellt.

Schließlich sei die Formbedürftigkeit auch nicht mit der in § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Heilungswirkung durch den Vollzug des dinglichen Rechtsgeschäfts in Einklang zu bringen. Denn das zunächst formunwirksame Verpflichtungsgeschäft soll danach gerade insgesamt wirksam werden, wenn es trotz der Formunwirksamkeit erfüllt wird. Dafür würde nur noch wenig Raum bleiben, wenn das Erfüllungsgeschäft nochmals den gleichen Formerfordernissen unterworfen wird, die schon bei dem Verpflichtungsgeschäft versäumt wurden und durch die tatsächliche Erfüllung eigentlich geheilt werden sollen.

Auch ein Anspruch auf Beseitigung des dinglichen Vorkaufsrechts aus dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung hat der BGH abgelehnt. Ein Rechtsgrund für die Bestellung des Vorkaufsrechts sei nämlich – zunächst Formunwirksam – im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Verkauf zumindest mündlich vereinbart worden. Zwar sei der gesamte Grundstückskaufvertrag aufgrund dieser nicht beurkundeten Nebenabreden gemäß § 139 BGB zunächst formunwirksam geworden. Diese Formunwirksamkeit wurde aber dann durch die Einigung und die Eintragung der Grundstücksübertragung und des dinglichen Vorkaufsrechts insgesamt gemäß § 311 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) geheilt.

Hinweis für die Praxis

Insbesondere die Ausführungen des BGH am Ende der Urteilsbegründung zeigen deutlich, wie vorsichtig die Parteien mit nicht beurkundeten Nebenabreden im Rahmen von beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäften umgehen müssen.

Die nicht beurkundete Verpflichtung hat zunächst den gesamten Grundstückskauf- und Übertragungsvertrag formunwirksam werden lassen. Es war also nicht nur die mündliche Abrede über die Einräumung des Vorkaufsrechts unwirksam. Da der Grundstückskaufvertrag wohl nicht ohne die vereinbarten Nebenabreden abgeschlossen worden wäre, erfasste die Unwirksamkeit gemäß § 139 BGB auch das beurkundete „Hauptrechtsgeschäft“ des Grundstücksverkaufs. Nur weil dann die Eintragungen in das Grundbuch tatsächlich aufgrund der Einigungen erfolgt sind, ist die Heilung des Formmangels eingetreten und die Rechtsgeschäfte (Verkauf des Grundstücks und Bestellung des Vorkaufsrechts) wurden nachträglich wirksam.

Stichwörter

BGH- Urteil vom 08.04.2016 – V ZR 73/15; Vorkaufsrecht, Form, notarielle Beurkundung, Einigung, Verpflichtungsgeschäft, Erfüllungsgeschäft, Trennungsprinzip, § 873 BGB, § 1094 BGB, § 925 Abs. 1 BGB, § 311 b Abs. 1 BGB

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