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Handelsvertreterausgleich für neue Kunden im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB


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Im ent­schie­de­nen Fall ging es dar­um, ob ein Ver­triebs­mit­ar­bei­ter, der von dem Unter­neh­mer nur mit dem Ver­trieb bestimm­ter Kol­lek­tio­nen betraut war, auch für die­je­ni­gen Kun­den einen Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich bean­spru­chen kann, die auf den Kun­den­lis­ten des Unter­neh­mers für ande­re Kol­lek­tio­nen bereits auf­ge­führt waren.

Der BGH stellt zunächst klar, dass die Vor­schrift des § 89b HGB die Vor­ga­ben des Art. 17 der Euro­päi­schen Richt­li­nie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezem­ber 1986 zur Koor­di­nie­rung der Rechts­vor­schrif­ten in Mit­glieds­staa­ten betref­fend die selbst­stän­di­gen Han­dels­ver­tre­ter (ABL EG Nr. L 382, S. 17) in das deut­sche Han­dels­ge­setz­buch umge­setzt hat. Die Vor­schrift ist danach unter Berück­sich­ti­gung die­ser Richt­li­nie aus­zu­le­gen.

Der Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on hat­te mit Ent­schei­dung vom 7. April 2016 ent­schie­den, dass die­se Richt­li­nie dahin aus­zu­le­gen sei, dass die von einem Han­dels­ver­tre­ter für Waren gewor­be­nen Kun­den auch dann als neue Kun­den im Sin­ne die­ser Bestim­mung anzu­se­hen sei­en, wenn sie bereits wegen ande­rer Waren Geschäfts­ver­bin­dun­gen mit dem Unter­neh­mer unter­hiel­ten, sofern der Ver­kauf der Waren durch die­sen Han­dels­ver­tre­ter die Begrün­dung einer spe­zi­el­len Geschäfts­ver­bin­dung erfor­dert hat.

Der BGH stellt zunächst klar, dass nicht jede Erwei­te­rung eines Kun­den­stamms durch den Han­dels­ver­tre­ter gem. § 89b HGB aus­gleichs­pflich­tig ist. Viel­mehr sei­en dabei sowohl Erwei­te­run­gen quan­ti­ta­ti­ver Art als auch qua­li­ta­ti­ver Art zu berück­sich­ti­gen.

Danach sind neue Kun­den im Sin­ne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB jeden­falls sol­che Kun­den, die mit dem Unter­neh­mer vor dem Tätig­wer­den des Han­dels­ver­tre­ters noch kein Umsatz­ge­schäft getä­tigt haben. Es han­de­le sich dage­gen nicht um einen neu­en Kun­den, wenn der Unter­neh­mer ledig­lich das Sor­ti­ment erwei­te­re und die schon bestehen­den Kun­den auch die Arti­kel des erwei­ter­ten Sor­ti­ments erwer­ben.

In Über­ein­stim­mung mit der Euro­päi­schen Richt­li­nie soll aber ein Anspruch auf Aus­gleich bestehen, wenn die Geschäfts­ver­bin­dung mit vor­han­de­nen Kun­den durch den Han­dels­ver­tre­ter wesent­lich erwei­tert wird, der Unter­neh­mer aus dem Geschäft mit die­sen Kun­den noch erheb­li­che Vor­tei­le zieht und die Zah­lung eines sol­chen Aus­gleichs unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de der Bil­lig­keit ent­spricht.

Unter Berück­sich­ti­gung der Ent­schei­dung des Gerichts­hofs der Euro­päi­schen Uni­on sowie der zugrun­de lie­gen­den Euro­päi­schen Richt­li­nie dür­fe der Begriff des „neu­en Kun­den“ nicht eng aus­ge­legt wer­den. Ent­schei­dend sei viel­mehr ob der Ver­trieb der Waren von Sei­ten des Han­dels­ver­tre­ters Ver­mitt­lungs­be­mü­hun­gen und eine beson­de­re Ver­kaufs­stra­te­gie im Hin­blick auf die Begrün­dung einer spe­zi­el­len Geschäfts­ver­bin­dung erfor­de­re.

Wenn der Unter­neh­mer dem Han­dels­ver­tre­ter nur einen bestimm­ten Teil der Kol­lek­ti­on zum Ver­trieb anver­traue, kön­ne dies ein Indiz dafür sein, dass die­se Waren zu einem ande­ren Teil der Pro­dukt­pa­let­te gehö­ren, als die Waren, die die­ser Kun­de bis­her gekauft habe. Ob dies tat­säch­lich so sei müs­se aber durch das Gericht geklärt wer­den.

Hinweis für die Praxis:

Der BGH kon­kre­ti­siert die Abgren­zung zwi­schen Bestands­kun­den und neu gewor­be­nen Kun­den im Rah­men des Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleichs­an­spruchs gem. § 89b HGB. In dem ent­schie­de­nen Fall wur­de es dem Ver­tre­ter zwar ein­fa­cher gemacht, bestimm­te Kun­den anzu­spre­chen, da er Lis­ten mit bestehen­den Kun­den des Unter­neh­mers hielt. Die­se Kun­den bestell­ten aber nicht ohne Wei­te­res Waren aus dem Sor­ti­ment, das dem Han­dels­ver­tre­ter zum Ver­trieb über­ge­ben wur­de. Der BGH kon­kre­ti­sier­te die Aus­le­gung des „neu­en Kun­den“ im Sin­ne des § 89b HGB in Über­ein­stim­mung mit den euro­päi­schen Vor­ga­ben dahin, dass es für die Qua­li­fi­ka­ti­on als Neu­kun­de im Wesent­li­chen dar­auf ankommt, ob für den Ver­kauf der kon­kre­ten Waren durch den Han­dels­ver­tre­ter Ver­mitt­lungs­be­mü­hun­gen und eine beson­de­re Ver­kaufs­stra­te­gie im Hin­blick auf die Begrün­dung einer spe­zi­el­len Geschäfts­ver­bin­dung erfor­der­lich waren.

Inso­weit soll es also nicht auf das all­ge­mei­ne Bestehen einer Geschäfts­ver­bin­dung ankom­men, son­dern auf den Ver­trieb von kon­kre­ten Waren und die dafür erfor­der­li­chen Ver­mitt­lungs­be­mü­hun­gen.

Stichwörter

Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich, § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB, Art. 17 Abs. 2 der Richt­li­nie 86/653/EWG, BGH Urteil vom 6. Okto­ber 2016 – VII ZR 328/12, neu­er Kun­de, Han­dels­ver­tre­ter, Aus­gleichs­an­spruch, Ver­triebs­be­mü­hun­gen, Kun­den­lis­te

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