Der Bundesregichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 11.06.2015 – IX ZB 76/13 entschieden, dass eine Aufschlüsselung der rückständigen Beiträge zur Sozialversicherung nach Arbeitnehmern für einen Insolvenzantrag des Sozialversicherungsträgers entbehrlich ist, wenn die von dem Schuldner gefertigten Datensätze („Softcopies“) vorgelegt werden.
Die bisherige Rechtsprechung, wonach eine Aufschlüsselung der rückständigen Beiträge nach Monat und nach Arbeinehmer erforderlich war, wurde ausdrücklich aufgegeben.
Zur Entscheidung
Der BGH hat seine bisherige Rechtsprechung, nach der im Rahmen eines INsolvenzantrags für eine schlüssige Darlegung der Forderung durch die Einzugstelle der Sozialversicherungsbeiträge eine Aufschlüsselung der rückständigen Beiträge nach Monat und nach Arbeitnehmer erforderlich war, ausdücklich aufgegeben.
Die Änderungen der Rechtsprechung wird mit der Neufassung des § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV vom 22. Dezember 2005 begründet. Danach gelte der von dem Arbeitgeber per Datenfernübertragung übermittelte Beitragsnachweis nicht nur für die Vollstreckung als Leistungsbescheid, sondern auch im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderung, obwohl dort die fällige Beitragsschuld als Summe und ohne Bezug zu den einzelnen Arbeitnehmern ausgewiesen werde.
Diese Umstellung des Melde- und Beitragsnachweisverfahrens führe dazu, dass auch im Rahmen der Insolvenzantragstellung nach § 13 InsO eine Aufschlüsselung nach Arbeitnehmer nicht mehr geboten sei.
Neben der Frage einer schlüssigen Darlegung durch die Softcopies hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob die vorgelgten Bildschirmauszüge auch als Mittel der Glaubhaftmachung ausreichend sind.
Der Begriff der Glaubhaftmachung in § 14 Abs. 1 InsO entspreche dem in § 294 ZPO.
Danach sein hinsichtlich der Forderung, auf die der Insolvenzantrag gestützt werde, eine schlüssige Darlegung und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ihres Bestehens erforderlich.
Daher müsse der Gläubiger – wie auch bei § 294 ZPO – die tatsächlichen Voraussetzungen schon gar nicht glaubhaft machen, wenn sie unstreitig sind.
Ob die eingereichten Datenauszüge nahe legen, dass sie vom Arbeitgeber stammen und den Beitrags-Datensatz zutreffend wiedergeben, müsse anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
Die Erleichterung bei der Darlegung der Forderung gemäß § 28b Abs. 2 Satz 1 SGB IV greife nur ein, wenn die Daten nach den „Gemeinsamen Grundsätzen zum Aufbau der Datensätzen für die Übermittlung von Beitragsdatensätzen durch Datenübertragung nach “ 28b Abs. 2 SGB IV“ ausgerichtet sind, insbesondere
- Unterscheidung der Beitragsgruppen und entsprechende Schlüsselzahlen,
- Benennung des Arbeitgebers oder seines Bevollmächtigten als Meldenden
enthalten.
Außerdem muss eine gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung erfolgt sein, um auszuschließen, dass die Übermittlung von Dritten stammt.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, bestehe regelmäßig kein Anhaltspunkt dafür, dass die angezeigten Daten von Mitarbeitern der Einzugstelle in Abweichung von der Arbeitgebermeldung eingegeben wurden, da die Einzugstelle bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gemäß Art. 20 Abs 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sei.
Hinweis für die Praxis
Wer als Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt, muss gemäß § 14 Abs. 1 InsO seine Forderung und den Insolvenzgrund darlegen und glaubhaft machen. Das gilt auch für die Forderungen der Sozialversicherungsträger.
Der BGH hat mit der Änderung seiner Rechtsprechung die Anforderungen an diese Darlegung und Glaubhaftmachung den Abläufen in der Praxis angepasst.
Für die schlüssige Darlegung der Forderung soll nun die vom Arbeitgeber selber mitgeteilte Summe ausreichend sein, ohne dass es einer Aufschlüsselung nach einzelnen Arbeitnehmern bedarf.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem Rechtsgedanken, dass sich der Arbeitgeber schließlich an den von ihm selber mitgeteilten Informationen (also seinem eigenen Vorverhalten) festhalten lassen muß.
Bei den Ausführungen zur Glaubhaftmachung stellt der BGH dann aber klar, dass regelmäßig der übermittelte Datensatz nur dann ohne weiteres verwendet werden kann, wenn er auch tatsächlich von dem Arbeitgeber oder seinem Bevollmächtigten stammt (sichere Datenübermittlung) und die im Gesetz vorgesehen Angaben enthält.
Etwas erstaunlich ist dann die Begründung, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung davon ausgegangen werden kann, dass die Einzugstelle keine davon abweichenden Daten eingegeben habe, da sie gem. Art 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sei.
Diese Begründung müsste dann für Jedermann gelten, da ja schliesslich jeder Bürger bei der Ausübug seiner Tätigkeit an Recht und Gesetz gebunden ist – ob er sich auch tatsächlich daran hält, ist eine andere Frage.
Richtig ist allerdings, dass die Mitarbeiter der Einzugstellen in der Regel keinen persönlichen Vorteil, Anreiz oder Anlass haben, sich nicht an die Gesetze zu halten und abweichende Zahlen einzugeben. Aus diesem Grunde ist es im Ergebnis richtig, davon auszugehen, dass keine abweichenden Eintragungen erfolgt sind, so lange der Arbeitgeber dies nicht ausnahmsweise anhand der von ihm übermittelten Daten im Vergleich zu den bei Insolvenzantragsstellung vorgelegten Daten im Einzelfall nachweisen kann.
Stichwörter
BGH v. 11.06.2015 – IX ZB 76/13; Insolvenzantrag, § 13 InsO, § 14 InsO; Glaubhaftmachung der Forderung, Softcopy, Beitragskonten, § 28b SGB IV.