Stimmrechte bei Nießbrauch an Gesellschaftsanteil

Mit Urteil vom 09.11.1998 – II ZR 213/97 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Kompetenz zu Beschlussfassung über Angelegenheiten, die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, bei dem Gesellschafter verbleiben und grundsätzlich nicht von dem Umfang eines Nießbrauchs an den Gesellschaftsanteilen umfasst sind.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH die Fragen, ob aufgrund des Nießbrauchs die Ausübung allgemeiner Verwaltungsrechte übergehen, und ob die vom gesetzlichen Umfang des Nießbrauchs nicht umfassten Stimmrechte durch ausdrückliche Anordnung bei der Bestellung des Nießbrauchs einbezogen werden können. 

Zur Entscheidung

Mit Urteil vom 09.11.1998 – II ZR 213/97 hat der BGH zunächst klargestellt, dass ein Nießbrauch auch an einem Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft rechtlich möglich ist.

Der Nießbraucher erhalte ein dingliches Nutzungsrecht, werde aber nicht Gesellschafter. Der Inhalt des Nutzungsrechts beziehe sich in erster Linie auf die Früchte aus dem Gesellschaftsanteil im Sinne des § 100 BGB.

Ob mit der Einräumung des Nießbrauchs auch die Ausübung von Verwaltungsrechten auf den Nießbrauchberechtigten übergehe, wurde letzlich nicht entschieden.

Denn jedenfalls die Mitwirkungs- und Stimmrechte bei Beschlüssen über die Grundlagen bzw. die Substanz der Gesellschaft verbleiben bei dem Gesellschafter und sind von dem gesetzlichen Umfang des Nießbrauchs nicht erfasst (im konkreten Fall ging es um die Mitwirkung beim Rechnungsabschluß).

Weiterhin soll dies auch für Geschäfte gelten, die grundsätzlich nicht die Grundlagen betreffen, aber im Gesellschaftsvertrag aus den allgemeinen Geschäftsführungsangelegenheiten „herausgelöst und den gemeinsam zu entscheidenden Grundlagengeschäften zugeordnet“ wurden. Mit dieser gesellschaftsvertraglichen Zuordnung sind die entsprechenden Gegenstände ebenfalls grundsätzlich nicht vom Nießbrauch umfasst.

Der BGH hat ausdrücklich offen gelassen, ob die gesetzlich vom Nießbrauch nicht umfassten Stimmrechte durch ausdrückliche Anordnung in der Nießbrauchsbestellung übertragen werden können. Das war für den konreten Fall nicht erheblich, da jedenfalls eine entsprechende Anordnung nicht getroffen wurde. 

Hinweis für die Praxis

Insbesondere im Bereich des Unternehmensverkaufs und der Unternehmensnachfolge (z.B. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) ist die Übertragung des Gesellschaftsanteils unter gleichzeitigem Vorbehalt eines Nießbrauchs eine Gestaltungsmöglichkeit, um die rechtliche Inhaberschaft zwar schon auf den Erwerber zu übertragen, den Nutzen aus den Gesellschaftsanteilen aber noch zu behalten.

Interessant wird dann auch die Frage, wer denn die Gesellschafterrechte ausübt, bzw. in der Gesellschaft entscheidet.

Die Entscheidung des BGH vom 09.11.1998 – II ZR 213/97 wird zwischenzeitlich durchgängig im Zusammenhang mit der Auswirkung der Nießbrauchsbestellung auf die Stimmrechte des Gesellschafters mit Angabe verschiedener Fundstellen zitiert, u.a. BGH, NJW 1999, 571; NJW-RR 1999, 826 (Ls.);ZIP 1999, 68;MDR 1999, 240; DNotZ 1999, 607; WM 1999, 79; BB 1999, 175; DB 1999, 208; RPfleger 1999, 185.

ACHTUNG: Teilweise werden dem Urteil dabei Aussagen beigemessen, die es so nicht enthält. So soll mit Hinweis auf die Entscheidung Rechtssicherheit bestehen, dass bei einem Vorbehaltsnießbrauch an einer Kommanditbeteiligung die Stimmrechte im Rahmen des Nießbrauchs grundsätzlich auf den Nießbrauchsberechtigten übertragen werden könne, wenn nur die Ausübung der Stimmrechte für die Grundlagenentscheidungen bei dem Gesellschafter verbleiben.

Das wurde aber eben gerade nicht durch den BGH entschieden, sondern ausdrücklich offengelassen. Insofern ist diese Auslegung möglich – rechtssicher ist sie aber nicht.

Interessant an dem Urteil des BGH ist auch, dass der Umfamg der Rechte, die von einem Nießbrauch jedenfalls nicht umfasst sind, durch Vereinbarung der Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden können.

Wenn bestimmte Rechtsgeschäfte der allgemeinen Geschäftsführung entzogen und zum Gegenstand einer einvernehmlichen Entscheidung durch die Gesellschafter gemacht wurden, dann sind sie damit auch dem gesetzlichen Umfang des Nießbrauchs entzogen. Soweit diese Einordnung von Beschlussgegenständen im Gesellschaftsvertrag schon vor der Bestellung des Nießbrauchs erfolgte, ist dies nachvollziehbar. Schließlich können die Gesellschafter den Ausschluss der Abtretbarkeit von Gesellschafsanteilen und der Bestellung von einem Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen in dem Gesellschaftsvertrag vereinbaren oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen. Hierzu kann die Beschränkung des Umfangs eines Nießbrauchs durch gesellschaftsvertragliche Zuordnung von bestimmten Maßnahmen zu den Grundlagengeschäften (und damit Herausnahme aus dem gesetzlichen Umfang des Nießbrauchs an den Gesellschaftsanteilen) durchaus als Minus angesehen werden.

Offen bleibt dann aber die Frage, ob diese Beschlussgegenstände auch nachträglich umqualifiziert werden können. Und handelt es sich dann bei einer entsprechenden Änderung des Gesellschaftsvertrages um ein Rechtsgeschäft, dass die Grundlage der Gesellschaft betrifft, so dass der Gesellschafter und nicht der Nießbrauchsberechtigte die Stimmrechte ausübt ?

Auch bei den Nießbrauch ergänzenden Gestaltungen zur Absicherung der Stimmrechtsausübung durch die von den Parteien gewünschte Person – z.B. Treuhandschaften, Vollmachten, etc. – muß neben den steuerlichen Folgen (Übergang oder Verbleib der Mitunternehmerstellung, etc.) immer auch beachtet werden, dass kein Verstoß gegen das sogenannte gesellschaftsrechtliche Abspaltungsverbot vorliegt (d.h. die Stimmrechte werden isoliert von der Gesellschafterstellung übertragen).

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BGH, 09.11.1998 – II ZR 213/97; NJW 1999, 571; NJW-RR 1999, 826 (Ls.);ZIP 1999, 68;MDR 1999, 240; DNotZ 1999, 607; WM 1999, 79; BB 1999, 175; DB 1999, 208; RPfleger 1999, 185 Nießbrauch, Gesellschaftsanteil, Stimmrechte, Stimmrechtsausübung, Grundlagengeschäft; Vorbehaltsnießbrauch; Unternehmensnachfolge; § 100 BGB, § 1068 BGB.

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