Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 14. Juni 2016- Az.: II ZB 10/15 beschlossen, dass sich das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten gemäß § 166 Abs. 3 HGB nicht auf Auskünfte beschränkt, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zu seinem Verständnis erforderlich sind, sondern bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit in Zusammenhang stehenden Unterlagen umfassen kann.
Zur Entscheidung
Die Beteiligten des Verfahrens stritten um Auskünfte nach § 166 Abs. 3 HGB. Die von der Antragstellerin begehrten Informationen betrafen nicht den Jahresabschluss der Gesellschaft, sondern Informationen zur Geschäftsführung des Komplementärs, bzw. zur Umsetzung des Unternehmensgegenstandes.
Der BGH führte zunächst aus, dass die gleichzeitige Geltendmachung eines Auskunftsanspruches gem. § 166 Abs. 1 HGB durch eine Leistungsklage der Zulässigkeit eines Antrages nach § 166 Abs. 3 HGB nicht entgegenstehe. Denn das außerordentliche Kontrollrecht des Kommanditisten gem. § 166 Abs. 3 HGB trete neben das allgemeine Informationsrecht aus § 166 Abs. 1 HGB.
Ebenfalls wurde es für zulässig gehalten, dass die Komplementärin als geschäftsführende Gesellschafterin als Antragsgegnerin genannt wurde. Denn der Antrag des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB diene ebenso wie der allgemeine Informationsanspruch eines Gesellschafters der Durchsetzung seiner mitgliedschaftlichen Informationsrechte. Ebenso wie bei einem allgemeinen Informationsanspruch des Gesellschafters gelte, dass sich dieser Informationsanspruch nicht nur gegen die Gesellschaft selber richte, sondern auch gegen das geschäftsführende Organ, welches die Auskunft unschwer erteilen kann.
Inhaltlich sei das außerordentliche Informationsrecht gemäß § 166 Abs. 3 HGB nicht auf Auskünfte beschränkt, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind. Vielmehr erweitere § 166 Abs. 3 HGB das Informationsrecht des Kommanditisten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch auf Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit im Zusammenhang stehenden Unterlagen der Gesellschaft.
Der BGH verweist insoweit auf den gleichlautenden Informationsanspruch des stillen Gesellschafters gemäß § 233 Abs. 3 HGB, für welchen schon entschieden wurde, dass das außerordentliche Prüfungsrecht auch der Kontrolle der Geschäftsführung diene. Dies gelte gleichermaßen auch für den Anspruch des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB.
Schon der Wortlaut des § 166 Abs. 3 HGB nenne neben der Mitteilung eine Bilanz und eines Jahresabschlusses sowie der Vorlegung der Bücher und Papiere auch die Anordnung „sonstiger Aufklärungen“ durch das Gericht.
Da dies ohne Bezug auf das Informationsrecht gem. § 166 Abs. 1 HGB erfolge, stellen die sonstigen Aufklärungen gegenüber den anderen genannten Informationsquellen eine zusätzliche Informationsmöglichkeit dar und gehen damit über das in § 166 Abs. 1 HGB geregelte Informationsrecht hinaus. Die Anordnung könne außerdem „jederzeit“ auf Antrag eines Kommanditisten ergehen. Auch dies spreche dafür, dass das geregelte Auskunftsrecht vom Jahresabschluss unabhängig sei.
Weiterhin ergebe sich aus der Regelungssystematik des § 166 HGB die eigenständige Stellung des § 166 Abs. 3 HGB. Denn während das allgemeine Informationsrecht gem. § 166 Abs. 1 HGB ohne weitere Voraussetzung besteht und in § 166 Abs. 2 HGB klargestellt werde, dass dem Kommanditisten die in § 118 HGB dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG eingeräumten Kontrollrechte nicht zustehen, setzt das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus.
Auch prozessual bestehe ein Unterschied, da der Anspruch aus § 166 Abs. 1 HGB im Rahmen des normalen Zivilprozesses geltend gemacht werden müsse. Der außerordentliche Informationsanspruch gemäß § 166 Abs. 3 HGB erfolge aber in einem Streitverfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sollte das außerordentliche Informationsrecht inhaltlich auf die Auskünfte zur Prüfung des Jahresabschlusses beschränkt sein wie bei § 166 Abs. 1 HGB, so hätte auch eine prozessuale Verbindung in einem einheitlichen Verfahren nahegelegen.
Auch die Entstehungsgeschichte des § 166 HGB spreche für einen außerordentlichen Auskunftsanspruch des Kommanditisten, der inhaltlich über das in § 166 Abs. 1 geregelte Informationsrecht hinausgehe.
§ 166 HGB gehe auf Art. 150 des preußischen HGB-Entwurfs von 1857 und auf Art. 153 des ersten ADHGB-Entwurfs zurück. Diese Entwürfe wollten das Auskunftsrecht des Kommanditisten zunächst inhaltlich wie in § 166 Abs. 1 und Abs. 2 HGB vorgesehen auf die Mitteilung der jährlichen Bilanz und deren Prüfung durch Einsicht in Büchern, Papiere der Gesellschaft beschränken und dem Kommanditisten weitergehende Auskunftsrechte ausdrücklich versagen. Bei der Diskussion dieser Entwürfe wurde hervorgehoben, dass die ursprünglich geplante Fassung zu absolut sei und unter Umständen die Statuierung einer Ausnahme nicht umgangen werden könne. Daher wurde der vorgeschlagene Zusatz aufgenommen, dass ein Richter auf Antrag des Kommanditisten bei Vorliegen eines zwingenden Grundes die Erteilung einer Abrechnung oder sonstige Aufklärung nebst Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen könne.
Diese Regelung wurde dann im Wesentlichen unverändert in § 166 Abs. 3 HGB übernommen.
Schließlich diene § 166 HGB nach Sinn und Zweck insgesamt dazu, die Auskunftsansprüche des Kommanditisten von denen eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementärs abzugrenzen, der sich anlassunabhängig von den Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten lassen kann. Dazu reiche es aus, die Geltendmachung des Auskunftsrechts durch den Kommanditisten an das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu knüpfen.
Der BGH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen, damit diese prüfen kann, ob es sich bei den begehrten Auskünften um solche handelt, die gemäß § 166 Abs. 3 HGB verlangt werden können, und ob für jede einzelne der begehrten Auskünfte ein gem. 166 Abs. 3 HGB erforderlicher wichtiger Grund vorliegt.
Dabei hat der BGH schon einmal auf folgendes hingewiesen:
Das außerordentliche Informationsrecht gem. § 166 Abs. 3 HGB stellt keinen allgemeinen Auskunftsanspruch oder ein allgemeines Einsichtsrecht des Kommanditisten dar. Es rechtfertigt vielmehr nur Informations- und Aufklärungsrechte, die zur Durchsetzung gesellschaftsvertraglicher Rechte bzw. zur Wahrung berechtigter Interessen des Kommanditisten geeignet und angemessen sind. Das außerordentliche Informationsrecht gem. § 166 Abs. 3 HGB wird daher durch das Informationsbedürfnis des Kommanditisten begrenzt, das sich aus dem wichtigen Grund ergibt.
Es steht dem Kommanditisten deshalb auch nicht zur Verfügung, um auf Maßnahmen hinzuwirken, die die Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung sind.
Ein wichtiger Grund sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Belange des Kommanditisten durch das vertragliche oder aus § 166 Abs. 1 HGB folgende Einsichtsrecht nicht hinreichend gewahrt sind und darüber hinaus die Gefahr einer Schädigung bestehe.
Dies sei z. B. bei einer drohenden Schädigung von Gesellschaft oder Kommanditisten der Fall. Der Kommanditist müsse aber konkrete Umstände für die Erforderlichkeit und die Bedeutung der begehrten Information darlegen oder zumindest dafür, dass ein begründetes Misstrauen gegenüber der Geschäftsführung bestehe.
Eignung, Erforderlichkeit und Umfang der zu erteilenden Auskünfte hängen von dem geltend gemachten wichtigen Grund ab. In diesem Zusammenhang müsse eine Abwägung zwischen dem gewichtigen Informationsbedürfnis des Kommanditisten und den Interessen der Gesellschaft vorgenommen werden.
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14. Juni 2016 – II ZB 10/15 ist schon allein deshalb lesenswert, da der BGH die Auslegung des Informationsanspruchs gem. § 166 Abs. 3 HGB methodisch klar strukturiert abhandelt. Auf die Begründung der Entscheidung mit dem Wortlaut des § 166 Abs. 3 HGB folgt eine Argumentation mit der Regelungssystematik innerhalb des § 166 HGB. Anschließend geht der BGH auf die Entstehungsgeschichte des § 166 HGB ein. Schließlich wird die Entscheidung mit dem Sinn und Zweck des § 166 HGB insgesamt (und im Verhältnis zu den Auskunftsansprüchen eines persönlich haftenden Gesellschafters) begründet.
Interessant ist auch, dass innerhalb von kurzer Zeit nach der Entscheidung des BGH zu den Ansprüchen des Genussscheininhabers auf Rechnungslegung mit Urteil vom 14. Juni 2016 – II ZR 121/15 (vgl. http://www.klerx-legal.com/2016/08/Anspruch-des-Genussscheininhabers-auf-Rechnungslegung/) eine weitere Entscheidung zu außerordentlichen Auskunftsansprüchen folgt.
In beiden Entscheidungen ist die Linie zu erkennen, dass ein außerordentlicher Auskunfts- oder Informationsanspruch, der über den Jahresabschluss und die zu seiner Prüfung erforderlichen Unterlagen, hinausgeht, grundsätzlich bestehen kann. Dies setzt aber jeweils einen wichtigen Grund voraus. Außerdem wird in beiden Entscheidungen auch die Begrenzung dieses außerordentlichen Informationsanspruches hervorgehoben. Die Beschränkung des Anspruchs erfolgt jeweils zweckbezogen. Danach besteht der außerordentliche Auskunftsanspruch und nur in dem Umfang, wie es für die Erreichung des Zwecks aufgrund des wichtigen Grundes erforderlich ist.
Das außerordentliche Auskunftsrecht soll dagegen nicht zu einer unbeschränkten und allgemeinen Rechenschaftspflicht führen.
Der Kommanditist, der das erweiterte außerordentliche Auskunftsrecht geltend machen möchte, ist insoweit zur Darlegung und zum Beweis verpflichtet. Er muss also insbesondere den wichtigen Grund sowie konkrete Umstände für die Erforderlichkeit und die Bedeutung der begehrten Informationen vortragen.
Stichwörter
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