Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 12. Juli 2016 – II ZR 74/14 – entschieden, dass der Abfindungsanspruch eines aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ausscheidenden Gesellschafters sich umfassend gegen die Gesellschaft richtet und für einen davon zu trennenden Ausgleichsanspruch gegen die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter keinen Raum bestehe.
Zur Entscheidung
In der Entscheidung ging es um die Auseinandersetzung einer Anwaltssozietät in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der im Gesellschaftsvertrag keine Regelung zur Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters vorgesehen war.
Als ein Gesellschafter kündigte, wurden das Inventar und die Mandate einvernehmlich aufgeteilt. Streitig war lediglich, ob der ausscheidende Gesellschafter den negativen Saldo seines Kapitalkontos auszugleichen habe, der durch übermäßige Entnahmen in der Vergangenheit entstanden war.
Das Berufungsgericht meinte, die Gesellschaft sei nicht Schuldnerin des geltend gemachten Ausgleichsanspruches. Denn die Liquidation im Rahmen der Gesellschaft sei durch die Aufteilung des Inventars und die Mandate beendet. Danach habe die Gesellschaft über kein zu verteilendes Vermögen mehr verfügt. Der Ausgleich der Kapitalkonten sei daher zwischen den Gesellschaftern unmittelbar vorzunehmen.
Entsprechend wurde auch der Antrag auf Verurteilung zur Erstellung einer Abfindungsbilanz im Wege der Stufenklage gegen die Gesellschaft zurückgewiesen.
Der BGH hob dieses Urteil auf und stellte fest, dass für getrennte Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft und einzelne Gesellschafter im Rahmen des Ausscheidens eines GbR-Gesellschafters keinen Platz besteht. Vielmehr richtet sich der Abfindungsanspruch einheitlich gegen die Gesellschaft. Dies soll jedenfalls gelten, wenn die Gesellschaft (mit den übrigen Gesellschaftern) weiterhin besteht und keine abweichenden Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag getroffen wurden.
Etwas anderes folge auch nicht aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, in dem geregelt ist, dass die Gesellschaft dem Ausscheidenden dasjenige zu zahlen hat, was er bei einer Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre.
Die fiktive Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens beinhaltet nicht die Trennung zwischen Abwicklung des Gesellschaftsvermögens gemäß § 730 Abs. 1 BGB und dem internen Ausgleich unter den Gesellschaftern im Rahmen einer Liquidation. Denn beim Ausscheiden eines Gesellschafters komme es weder zu einer Vollbeendigung der Gesellschaft noch zu einer vollständigen Verteilung ihres Vermögens.
Das Auseinandersetzungsguthaben sei zwar auf Grundlage des anteiligen Unternehmenswertes zu berechnen, es sei aber nicht auf die Erfassung des anteiligen Unternehmenswertes beschränkt. Auch nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, z.B. auch ein möglicher Anspruch auf Rückerstattung von Einlagen nach § 733 Abs. 2 BGB oder Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen, seien davon umfasst.
Darauf folge auch, dass dem Ausgeschiedenen ein Anspruch auf die Erstellung der Abfindungsbilanz gegen die Gesellschaft zusteht, mit der sein Abfindungsanspruch ermittelt werden kann.
Der BGH stellt dann noch klar, dass die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um bisherige Mandanten zu werben, die sachlich naheliegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Freiberufler-Sozietät sei. Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, sei damit der Geschäftswert abgegolten und eine weitergehende Abfindung grundsätzlich nicht geschuldet, wenn keine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde.
Eine vollständige „Realteilung“ in diesem Sinne sei aber in dem Streitfall nicht festgestellt worden. Denn zumindest die Frage, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien, war zwischen den Parteien ungeklärt, so dass die Annahme einer vollständigen Aufteilung im Sinne der Rechtsprechung des BGH, zu der jedenfalls auch solche Forderungen gehören, die nicht einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen sind, nicht erfolgte.
Hinweis für die Praxis
Das Ausscheiden und die Abfindung von ausscheidenden Gesellschaftern aus Personengesellschaften, insbesondere von Gesellschaften bürgerlichen Rechts, stellt sich in der Praxis oft als komplex und schwierig dar. Eine Vielzahl von Rechtsbeziehungen und Ansprüchen der Gesellschaft gegenüber Dritten und der Gesellschafter untereinander müssen geklärt werden.
Es ist die ständige Rechtsprechung des BGH, dass der Ausscheidende und die verbleibende Gesellschafter keine Einzelansprüche in diesem Zusammenhang gegeneinander geltend machen können.
Vielmehr ist eine einheitliche Abfindungsbilanz zu erstellen, in die sämtliche gegenseitige Ansprüche einbezogen werden. Das Ergebnis ist dann ein einheitlicher und umfassender Abfindungsanspruch. Zur Durchsetzung des Anspruches kann im Wege einer Stufenklage zunächst die Erstellung der Abfindungsbilanz verlangt werden, um dann den Zahlungsanspruch zu beziffern.
Im vorliegenden Fall hatte das Berufungsgericht angenommen, die Liquidation der Gesellschaft sei im Prinzip schon beendet und die Vermögenswerte der Gesellschaft seien verteilt worden. Die gegenseitigen Ansprüche zum Ausgleich etwaiger Überentnahmen oder stehen gelassener Gewinnansprüche zwischen den Gesellschafters seien dagegen isoliert im Verhältnis der Gesellschafter untereinander geltend zu machen. Dem ist der BGH nicht gefolgt. Auch diese Einzelansprüche untereinander sind als Rechnungsposten in die einheitliche Abfindungsbilanz einzubeziehen.
Der BGH stellt jedoch auch klar, dass diese Entscheidung vorbehaltlich anderer Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern gilt. Gerade weil es bei der Auseinandersetzung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts um komplexe Fragestellung geht, die nicht selten in der Aufarbeitung von einer Vielzahl von Einzelansprüchen mündet, ist bereits bei Gründung der Gesellschaft eine sorgfältige Vereinbarung und Formulierung der Ausscheidens- und Abfindungsregelungen sehr zu empfehlen.
Stichwörter
Abfindungsanspruch, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR, Ausscheiden aus Gesellschaft, Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2016, II Z R 74/14, Ausgleichsanspruch, Ausgleich der Kapitalkonten, Ausscheidens eines GbR-Gesellschafters, Abfindungsbilanz, § 738 BGB, § 730 Abs. 1 BGB, Ausscheiden- und Abfindungsregelungen, Gewinnansprüche