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Umfassender Abfindungsanspruch gegen die GbR bei Ausscheiden aus Gesellschaft bürgerlichen Rechts


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Zur Entscheidung:

In der Ent­schei­dung ging es um die Aus­ein­an­der­set­zung einer Anwalts­so­zie­tät in der Rechts­form der Gesell­schaft bür­ger­li­chen Rechts, bei der im Gesell­schafts­ver­trag kei­ne Rege­lung zur Abfin­dung des aus­schei­den­den Gesell­schaf­ters vor­ge­se­hen war.

Als ein Gesell­schaf­ter kün­dig­te, wur­den das Inven­tar und die Man­da­te ein­ver­nehm­lich auf­ge­teilt. Strei­tig war ledig­lich, ob der aus­schei­den­de Gesell­schaf­ter den nega­ti­ven Sal­do sei­nes Kapi­tal­kon­tos aus­zu­glei­chen habe, der durch über­mä­ßi­ge Ent­nah­men in der Ver­gan­gen­heit ent­stan­den war.

Das Beru­fungs­ge­richt mein­te, die Gesell­schaft sei nicht Schuld­ne­rin des gel­tend gemach­ten Aus­gleichs­an­spru­ches. Denn die Liqui­da­ti­on im Rah­men der Gesell­schaft sei durch die Auf­tei­lung des Inven­tars und die Man­da­te been­det. Danach habe die Gesell­schaft über kein zu ver­tei­len­des Ver­mö­gen mehr ver­fügt. Der Aus­gleich der Kapi­tal­kon­ten sei daher zwi­schen den Gesell­schaf­tern unmit­tel­bar vor­zu­neh­men.

Ent­spre­chend wur­de auch der Antrag auf Ver­ur­tei­lung zur Erstel­lung einer Abfin­dungs­bi­lanz im Wege der Stu­fen­kla­ge gegen die Gesell­schaft zurück­ge­wie­sen.

Der BGH hob die­ses Urteil auf und stell­te fest, dass für getrenn­te Abfin­dungs­an­sprü­che gegen die Gesell­schaft und ein­zel­ne Gesell­schaf­ter im Rah­men des Aus­schei­dens eines GbR-Gesell­schaf­ters kei­nen Platz besteht. Viel­mehr rich­tet sich der Abfin­dungs­an­spruch ein­heit­lich gegen die Gesell­schaft. Dies soll jeden­falls gel­ten, wenn die Gesell­schaft (mit den übri­gen Gesell­schaf­tern) wei­ter­hin besteht und kei­ne abwei­chen­den Ver­ein­ba­run­gen im Gesell­schafts­ver­trag getrof­fen wur­den.

Etwas ande­res fol­ge auch nicht aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, in dem gere­gelt ist, dass die Gesell­schaft dem Aus­schei­den­den das­je­ni­ge zu zah­len hat, was er bei einer Aus­ein­an­der­set­zung erhal­ten wür­de, wenn die Gesell­schaft zur Zeit sei­nes Aus­schei­dens auf­ge­löst wor­den wäre.

Die fik­ti­ve Berech­nung des Aus­ein­an­der­set­zungs­gut­ha­bens beinhal­tet nicht die Tren­nung zwi­schen Abwick­lung des Gesell­schafts­ver­mö­gens gemäß § 730 Abs. 1 BGB und dem inter­nen Aus­gleich unter den Gesell­schaf­tern im Rah­men einer Liqui­da­ti­on. Denn beim Aus­schei­den eines Gesell­schaf­ters kom­me es weder zu einer Voll­be­en­di­gung der Gesell­schaft noch zu einer voll­stän­di­gen Ver­tei­lung ihres Ver­mö­gens.

Das Aus­ein­an­der­set­zungs­gut­ha­ben sei zwar auf Grund­la­ge des antei­li­gen Unter­neh­mens­wer­tes zu berech­nen, es sei aber nicht auf die Erfas­sung des antei­li­gen Unter­neh­mens­wer­tes beschränkt. Auch nicht unter­neh­mens­wert­be­zo­ge­ne gegen­sei­ti­ge Ansprü­che aus dem Gesell­schafts­ver­hält­nis, z.B. auch ein mög­li­cher Anspruch auf Rück­erstat­tung von Ein­la­gen nach § 733 Abs. 2 BGB oder Ansprü­che der Gesell­schaft auf Rück­zah­lung unbe­rech­tig­ter Ent­nah­men, sei­en davon umfasst.

Dar­auf fol­ge auch, dass dem Aus­ge­schie­de­nen ein Anspruch auf die Erstel­lung der Abfin­dungs­bi­lanz gegen die Gesell­schaft zusteht, mit der sein Abfin­dungs­an­spruch ermit­telt wer­den kann.

Der BGH stellt dann noch klar, dass die Tei­lung der Sach­wer­te und die recht­lich nicht begrenz­te Mög­lich­keit, um bis­he­ri­ge Man­dan­ten zu wer­ben, die sach­lich nahe­lie­gen­de und ange­mes­se­ne Art der Aus­ein­an­der­set­zung einer Frei­be­ruf­ler-Sozie­tät sei. Gehen die Gesell­schaf­ter in die­ser Wei­se vor, sei damit der Geschäfts­wert abge­gol­ten und eine wei­ter­ge­hen­de Abfin­dung grund­sätz­lich nicht geschul­det, wenn kei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung getrof­fen wur­de.

Eine voll­stän­di­ge „Real­tei­lung“ in die­sem Sin­ne sei aber in dem Streit­fall nicht fest­ge­stellt wor­den. Denn zumin­dest die Fra­ge, ob und wie die Kapi­tal­kon­ten aus­zu­glei­chen sei­en, war zwi­schen den Par­tei­en unge­klärt, so dass die Annah­me einer voll­stän­di­gen Auf­tei­lung im Sin­ne der Recht­spre­chung des BGH, zu der jeden­falls auch sol­che For­de­run­gen gehö­ren, die nicht ein­zel­nen Man­dats­ver­hält­nis­sen zuzu­ord­nen sind, nicht erfolg­te.

Hinweis für die Praxis:

Das Aus­schei­den und die Abfin­dung von aus­schei­den­den Gesell­schaf­tern aus Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten, ins­be­son­de­re von Gesell­schaf­ten bür­ger­li­chen Rechts, stellt sich in der Pra­xis oft als kom­plex und schwie­rig dar. Eine Viel­zahl von Rechts­be­zie­hun­gen und Ansprü­chen der Gesell­schaft gegen­über Drit­ten und der Gesell­schaf­ter unter­ein­an­der müs­sen geklärt wer­den.

Es ist die stän­di­ge Recht­spre­chung des BGH, dass der Aus­schei­den­de und die ver­blei­ben­de Gesell­schaf­ter kei­ne Ein­zel­an­sprü­che in die­sem Zusam­men­hang gegen­ein­an­der gel­tend machen kön­nen.

Viel­mehr ist eine ein­heit­li­che Abfin­dungs­bi­lanz zu erstel­len, in die sämt­li­che gegen­sei­ti­ge Ansprü­che ein­be­zo­gen wer­den. Das Ergeb­nis ist dann ein ein­heit­li­cher und umfas­sen­der Abfin­dungs­an­spruch. Zur Durch­set­zung des Anspru­ches kann im Wege einer Stu­fen­kla­ge zunächst die Erstel­lung der Abfin­dungs­bi­lanz ver­langt wer­den, um dann den Zah­lungs­an­spruch zu bezif­fern.

Im vor­lie­gen­den Fall hat­te das Beru­fungs­ge­richt ange­nom­men, die Liqui­da­ti­on der Gesell­schaft sei im Prin­zip schon been­det und die Ver­mö­gens­wer­te der Gesell­schaft sei­en ver­teilt wor­den. Die gegen­sei­ti­gen Ansprü­che zum Aus­gleich etwai­ger Über­ent­nah­men oder ste­hen gelas­se­ner Gewinn­an­sprü­che zwi­schen den Gesell­schaf­ters sei­en dage­gen iso­liert im Ver­hält­nis der Gesell­schaf­ter unter­ein­an­der gel­tend zu machen. Dem ist der BGH nicht gefolgt. Auch die­se Ein­zel­an­sprü­che unter­ein­an­der sind als Rech­nungs­pos­ten in die ein­heit­li­che Abfin­dungs­bi­lanz ein­zu­be­zie­hen.

Der BGH stellt jedoch auch klar, dass die­se Ent­schei­dung vor­be­halt­lich ande­rer Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Gesell­schaf­tern gilt. Gera­de weil es bei der Aus­ein­an­der­set­zung von Gesell­schaf­ten bür­ger­li­chen Rechts um kom­ple­xe Fra­ge­stel­lung geht, die nicht sel­ten in der Auf­ar­bei­tung von einer Viel­zahl von Ein­zel­an­sprü­chen mün­det, ist bereits bei Grün­dung der Gesell­schaft eine sorg­fäl­ti­ge Ver­ein­ba­rung und For­mu­lie­rung der Aus­schei­dens- und Abfin­dungs­re­ge­lun­gen sehr zu emp­feh­len.

Stichwörter

Abfin­dungs­an­spruch, Gesell­schaft bür­ger­li­chen Rechts, GbR, Aus­schei­den aus Gesell­schaft, Bun­des­ge­richts­hof, Urteil vom 12.07.2016, II Z R 74/14, Aus­gleichs­an­spruch, Aus­gleich der Kapi­tal­kon­ten, Aus­schei­dens eines GbR-Gesell­schaf­ters, Abfin­dungs­bi­lanz, § 738 BGB, § 730 Abs. 1 BGB, Aus­schei­den- und Abfin­dungs­re­ge­lun­gen, Gewinn­an­sprü­che

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